1911 stand es in TH: „Prima Kamelhaar-Treibriemen“

Nachwachsende Rohstoffe als Alternative zu konventionellen Materialien standen immer schon hoch im Kurs. Allerdings war das vor 111 Jahren mit dem Nachwachsen etwas anders gemeint als heute. Während der damals vielfach im Technischen Handel zum Einsatz kommende Werkstoff Leder nur einmal an der Quelle zur Verfügung stand, wuchsen Haare immer wieder nach. Ob das der entscheidende Grund für den Einsatz von Kamelhaar zum Fertigen von Treibriemen war, ist heute spekulativ. Es ist eher zu vermuten, dass technologische Vorteile in einigen Anwendungsfällen den Ausschlag für den nachwachsenden Rohstoff gaben.

Anzeige aus TH 1911
Anzeige aus dem Jahr 1911 für Treibriemen aus Kamelhaar Bildquelle: Albert Ohl / TH

Die Albert Ohl, Mechanische Treibriemen-, Gurten- und Presstuch-Weberei aus Schlotheim in Thüringen empfahl ihren Kunden als Spezialität „Prima Kamelhaar-Treibriemen mit extra nach innen und aussen verhärteten Kanten“, wie es in einer Anzeige in Technischer Handel aus dem Gründungsjahr der Zeitschrift 1911 hieß.

Heute gibt es das Unternehmen nicht mehr. Früher war der Ruf Schlotheims als Seilerstadt geprägt von der Vielzahl ortsansässiger Seilermeister (um 1850 über 50), der daraus entstandenen Industrie und der Einmaligkeit von 19 industriellen Seiler- und Webereibetrieben an einem Standort. Die Produkte der Fabriken und der sich daraus ableitenden, artverwandten großen Produktpalette sowie der hohe Exportanteil machten Schlotheim weltbekannt. Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands gab es in dem heute 3.600 Einwohner zählenden Ort allein 2.500 Arbeitsplätze in Seilereien und Webereien. Davon ist heute nicht mehr viel geblieben. Wer wissen will wie das damals war in der Seilerstadt, der sollte sich zum Seilermuseum in Schlotheim aufmachen (http://seilermuseum.schlotheim.info).

Albert Ohl hatte übrigens auch „Pa. Hanfgarn-Gurten“ im Sortiment. Von der Antike bis tief ins 20. Jahrhundert war Hanf ein anerkannter und unentbehrlicher Rohstoff zur Herstellung einer Vielzahl von Gegenständen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts verdrängten Kunstfasern die natürliche Faser, nicht zuletzt wegen einer Anti-Cannabis Kampagne. Seit seiner „Wiedergeburt“ Anfang der 1990er Jahre hat der Anbau von Hanf kontinuierlich zugenommen. Die Hanffaser ist der Baumwollfaser in vielerlei Hinsicht überlegen, was sich aber nicht in der Nachfrage widerspiegelt. Vielleicht sorgen die hohen Baumwoll- und Ölpreise wieder für ein größeres Angebot an Alternativen auf den künftigen Rohstoffmärkten. Ob es allerdings zu einer Renaissance von Treibriemen aus Kamelhaar kommt, das heute auch wegen seines spezifischen Eigengeruchs als schlaffördernd geschätzt wird, ist eher unwahrscheinlich.

Kamelhaar bezeichnet das gelblich bis rötlich-braune Fell des in Asien und Afrika beheimateten Kamels. Es enthält in seiner Struktur grundverschiedene Haarsorten. Das Grannenhaar (Deckhaar) ist schlicht und grob, während das Flaumhaar (Unterhaar) gekräuselt und fein ist. Die Haare werden weder geschoren noch ausgekämmt, sondern fallen im Frühjahr büschelweise aus. Kamele werden auch für die Gewinnung von Kamelhaar in größeren Herden gehalten. Das von den Jungtieren erstmalig abgeworfene Haar gilt als besonders wertvoll. Es ist äußerst fein, weich und hell. Ein ausgewachsenes Tier liefert circa 5 kg.

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